29.7.2009
Uns zieht es weiter, Cali hat nur noch ein paar alte Gebäude im Zentrum, alles andere ist modern und ein kurzer Stadtrundgang genügt uns. Raus aus der Stadt, wieder in die landschaftliche Idylle zieht es uns. Silvia, eine Kleinstadt in den Bergen, das Zentrum der Guambiano, eines der traditionellsten Indianervölker Kolumbiens. Sie leben zwar nicht hier, kommen aber dienstags auf den Markt , um Früchte, Gemüse und Handwerksarbeiten zu verkaufen. Sie tragen noch traditionelle Kleidung, abgesehen von den festen Bergstiefeln in schwarz oder braun, die sie zum Teil modisch mit neonfarbigen Schnürsenkeln aufpeppen. Wir haben Glück, hier kann es oft sehr wolkig und kalt sein, es scheint herrlich die Sonne und wir knipsen wie wild. Es herrscht eine total ungezwungene und freundliche Atmosphäre, wir sitzen zusammen auf den Mäuerchen auf dem Platz vor der Kirche und bestaunen das bunte Treiben. Am Abend werden die Jeeps und Busse vollgeladen mit Menschen und Gepäck und es kehrt langsam Ruhe ein. Wir sind die einzigen Gäste in unserem Hotel und es ist so erschreckend ruhig, dass es auch schon wieder unheimlich ist. Kein Lastwagen, keine Musik, keine Traveller die lachen und singen bis in die Morgenstunden – unglaublich!!

Wir wollen weiter nach San Agustin, das wegen seinen prähistorischen Ausgrabungen berühmt ist. Die Straße auf der Landkarte ist gelb und nur ein kurzes Stück weiß. Wir sind bisher bis auf wenige Streckenabschnitte nur gute Straßen gefahren, selbst wenn sie weiß waren. Auf Erkundigung hin, sagte man auch, dass es nur ein kurzes Stück wäre. Doch nach kurzer Zeit hörte die asphaltierte Strecke auf.  Aus felsigem Boden mit Steinen bestehende Piste rüttelte uns die nächsten 5 km kräftig durch. Erinnerte mich an die in manchen Fitness-Studios aufgestellten Rüttelmaschinen. Wir fragten einen uns überholenden Autofahrer, ob das bis San Agustin so weiter geht. Er lachte und meinte 5 Stunden lang. 5 Stunden für 80 km? Der spinnt. Jetzt fing es auch noch an zu nieseln, was das Ganze natürlich rutschig machte. Doch wir quälten uns weiter, die Straße wurde immer ausgewaschener, stieg steil an, von Lastwagen gebildete tiefe Querrinnen, zwangen Wolfgang zum ganz Langsamfahren. Dabei verloren wir den Halt und kippten fast im Stand auf die Seite. Wir krabbelten seitlich von Motorrad weg und wir schafften es tatsächlich es mit vereinten Kräften wieder aufzustellen. Ein in der Zwischenzeit dazugekommener Autofahrer packte tatkräftig mit an, so dass Wolfgang wieder aufs Moped steigen konnte. In diesem Augenblick sah er aus dem Augenwinkel das Auto den Berg runterrollen und schrie und gestikulierte. So schnell wie der Mann reagierte! Einmalig. Er rannte dem Auto hinterher, es gelang ihm die Tür zu öffnen und nach mehrmaligem Versuch in das Auto zu springen! Durch die Steine auf der Straße und durch die Bodenwellen wurde es zwischendurch langsamer. Wir waren vielleicht froh, dass er unversehrt weiter fahren konnte.

Wir fragten noch mal einen uns entgegenkommenden Lastwagenfahrer, wie lange nach San Agustin? 4-5 Stunden, war wieder die Antwort. Nein Danke, entschieden wir und kehrten wieder um, denn 3 Tage später wieder 5 Stunden zurück = 10 Stunden!  Wolfgang meinte, das ginge nur mit deinem „Schanzenmotorrad“. Mich juckte es nach unserer ersten Reise doch noch, Motorrad fahren zu lernen. Mit meinem alten Führerschein bin ich berechtigt 125 Kubik zu fahren. Da gibt es von Honda eine kleine Enduro und die haben wir kurzerhand gekauft. So kann ich es probieren, ob es überhaupt was wird.  Wolfgang hat mit viel Geduld mir alles beigebracht und so konnte ich plötzlich bei unseren Enkeln mit meinem eigenen Motorrad vorbeifahren. Und als wir ihnen dann erzählten, dass wir wieder lange wegfahren ... fragte Lennard ganz bewundernd „und fährst du dann mit deinem Schanzenmotorrad?“ Jetzt ist der Begriff in aller Munde, die Oma fährt Schanzenmotorrad – das entschädigt mich doch durchaus für all die Jahre hintendrauf!! 

Trotzdem waren wir jetzt ein bisschen traurig, dass wir abgebrochen hatten. Es sollte dort sehr schön sein und es wäre ein würdiger Abschluss für dieses wunderbare Land gewesen. Schade.

Die Anden in Kolumbien zeigen sich sehr vielfältig und wir kommen aus dem „Ah“ sagen nicht raus. Auch die Fahrt Richtung Grenze Ecuador geht über gewaltige Bergzüge. Wir sind jetzt in Pasto, der letzten Stadt in Kolumbien, 2500 m und ziemlich kühl, am Fuße des Vulkans Galeras 4276 m. Ich sitze gerade im Bett, schreibe diesen Bericht und habe kalte Füße. Es klopft, Wolfgang öffnet, zwei reizende Hotelangestellte stehen vor der Tür, ein Schwall spanischer Wörter, dann abwartende Ruhe, wir verstehen nichts, sehen nur 2 weiße Frotteewärmflaschen und eine Thermoskanne und sagen begeistert si, si! Das Leben kann wunderbar sein, jetzt mit heißen Füßen und leckerem heißen Gewürztee.

Apropos Wunder: Wunderbar, wunderschön, wundervoll....so viele Wörter mit Wunder die Gefühle, Erlebtes, Gesehenes ausdrücken. Aber das größte Wunder ist, dass wir unsere begonnene Reise fortsetzen konnten, trotz aller Widrigkeiten. Mehr als 5 Wochen in Kolumbien – dieses Land wollten wir ursprünglich auslassen – es war der beste Einstieg, den wir uns denken konnten! 

 

Selbst die Straßenarbeiter winkten uns zu - wir haben nur nette Menschen getroffen
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