2 Stunden später waren wir alle unsere Sorgen los, der halbe Sonntag lag noch vor uns, den wir gleich zu einem Ausflug mit dem Kollektive nach Yungay nutzen. Diese Stadt wurde 1970 von einem durch ein Erdbeben ausgelösten Erdrutsch völlig zerstört. Um die Dimension der Unglücks zu erkennen, verzichte ich hier auf eine eigene Schilderung, deswegen zu unseren Fotos:
Wikipedia:
Hervorgerufen durch ein sehr schweres Erdbeben mit der Magnitude 7,8 auf der Richterskala lösten sich große Teile der vergletscherten Nordwestflanke des Huascarán-Massivs, der mit 6768 m höchsten Erhebung Perus. Ungefähr 50 Millionen Kubikmeter Eis, Schlamm und Gestein donnerten mit verheerender Gewalt die Quebrada Llanganuco zu Tal, übersprangen einen 200 m hohen, vermeintlich schützenden Hügelkamm und ergossen sich über nahezu das gesamte Stadtgebiet. Lediglich der auf einem Hügel gelegene Friedhof blieb verschont. Hier überlebten 93 Menschen.
Die Gerölllawine legte nach Schätzungen des U.S. Geological Survey bis zu ihrem Stillstand nach etwa 14,5 km in vier Minuten mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 220 km/h zurück. Unterschiedlichen Quellen zufolge verloren 12–20.000 Menschen ihr Leben.
Das Areal des zerstörten Yungay wurde bereits nach kurzer Zeit zu einer eindrucksvollen und vielbesuchten Gedenkstätte umgewandelt. Dazu wurde auf dem Friedhof eine Christus-Statue errichtet. Das unversehrte Portal der ansonsten zerstörten Kathedrale und ein mit Gestein ausgefülltes Autobuswrack zeugen von der gnadenlosen Wucht der Katastrophe.
Das neue Yungay ist etwas nördlich wieder aufgebaut worden. Von hier machten wir mit dem Taxi einen Ausflug zu eben diesem Bergmassiv mit einem klaren türkisgrünen Gletschersee und besonderen Bäumen, deren Rinde wie goldbraunes Seidenpapier im Wind weht.
Mit der Cordillera Blanca und der Cordillera Huayaush erhebt sich nach dem Himalaya hier die höchste Gebirgskette der Welt, 22 stolze Gipfel mit über 6.000 m Höhe und schönen Gletscherseen.
Wir ziehen um nach Huaraz, das 1982 auch nach einem Erdbeben durch eine gigantische Lawine aus Geröll, Wasser Eis und Schlamm nahezu vollständig begraben wurde, nur etwa 50 km weiter, aber immerhin schon auf 3.090 m hoch. Wir tasten uns langsam an die Höhe heran und bis jetzt hatten wir noch keinerlei Kopfschmerzen. Von hier aus kann man den berühmten (für Bergsteiger-Insider) Santa Cruz Trek machen, der schwieriger und länger ist als der Inkaweg und bei etlichen Höhen von 4700 m eine sehr gute Höhenadaption braucht. Keine Angst – den machen wir nicht – wir beschließen faul zu sein und uns in den Bus zu setzen, um wieder ein bisschen Kultur zu machen, zu den Ruinen nach Chavin de Huántar. Wieder jede Menge altes Gemäuer, das 1200 und 800 v. Chr. von einer der ältesten Kulturen des Kontinents gebaut wurde. Die Hauptattraktion sind die komplizierten unterirdischen Gänge, die einen richtigen Irrgarten von Gassen, Kanälen und Kammern bilden. Architektonisch ein Meisterwerk. In einem Trakt stößt man plötzlich in einer Kammer auf einen 4,5 m hohen, mit feinen Motiven bearbeiteten dolchartigen Felsen. Die Anlage war eine reine Tempelanlage und diente ausschließlich religiösen Zwecken.
Die Fahrt dorthin war landschaftlich wieder ein Genuss, östlich vorbei an den Gipfeln der Cordillera Blanca, westlich die schneelosen Berge der Cordillera Negra. so dass wir uns am nächsten Tag gleich wieder zu einer Busfahrt entschlossen. Diesmal keine Kultur, sondern nur Landschaft und besondere Pflanzen pur. Die Attraktionen bei dieser Fahrt sind der 5.240 m hohe Gletscher Pastoruri und auf dem Weg dorthin die einmaligen Riesenpflanzen Puyaraimondii, die bis zu 100 Jahre brauchen, bis sie ihre volle Höhe – oft 10 m – erreicht haben. Sie gelten als größtes Ananasgewächs der Welt aus der Familie der Bromelen und können bis zu 100 Jahre alt werden. Sie beginnen erst nach 50 Jahren zu blühen (zwischen Mai und Oktober), welche ein Glück wir haben!! Sie haben weiße/gelbe Blüten in einem langen grünen Stängel, in der kargen Umgebung der Anden ein absolut begeisternder Anblick! Die Bestäubung übernehmen die süßen Kolibris.
Viele Peruaner, wenig Touristen sind mit dabei, aber wir treffen Beat wieder, einen jungen Schweizer, der am Vortag auch schon mit dabei war. Die Informationen sind leider auch wieder ausschließlich auf Spanisch und wir sind froh über unseren Buch-Reiseführer. Doch wir hören uns immer besser rein und einiges verstehen wir doch ganz gut. Ein nettes peruanisches Ehepaar aus Lima vertreibt uns den langen und mühsamen Anstieg zum Gletscher mit Englisch-Spanisch-Handundfuß-Unterhaltung mit daran anschließender Einladung, sie auf jeden Fall in Lima zu besuchen. Wir drehen bei 5.000 m Höhe um, es reicht uns von der Höhe. Gletscher haben wir in Alaska zur Genüge gesehen.
Predigte ich doch mir und Wolfgang: In Peru essen wir auf keinen Fall was vom Stand oder von Händlern. Jedes Mal hat es uns hier erwischt mit Darmattacken.
Doch was interessiert mich mein Geschwätz von gestern! Bot man hier oben doch so leckere Maiskolben mit weißem salzigen Käse an. Und ich hatte doch außer Frühstück noch nichts im Magen und es war bereits 16.00 Uhr. Also, rein damit, es schmeckte so gut. Wolfgang wollte nichts.
Zufrieden saßen wir wieder im Bus. Piste, es rüttelte kräftig und da merkte ich schon ein zaghaftes Ziehen im Gedärm. Oh, mein Gott, hoffentlich reicht es noch bis zur nächsten Toilette. Innerhalb kürzester Zeit steigerte sich das Grimmen und Ziehen, ich versuchte zu meditieren, du schaffst das schon, du schaffst... und als ich dachte, es wirklich nicht mehr auszuhalten, machte der Busfahrer einen Einkehrschwung zum Essen. Ich als Erste aus dem Bus raus, nach Papel Hygenico gerufen und na, den Rest könnt ihr Euch denken. Gegessen habe ich mit Pause auf dem Klo kaum etwas und als dann die Rechnung kam, war das Klopapier mit 4 Soles (ca. 1 €) auch mit dabei. Wolfgang meinte belustigt, das war die teuerste Klopapierrolle in unserem Leben. War mir ehrlich „sch...egal“, was wohl jeder verstehen kann.
Heute machen wir einen Ruhetag, ich traue mich auch nicht so weit weg. Außerdem habe ich genug zu schreiben – es ist der Wahnsinn, was alles zu erleben ist in dieser kurzen Zeit.