Es ist sehr heiß und wir beschließen sehr früh in Mazatlan loszufahren. Sehr früh bedeutet mindestens 8 Uhr. Wir haben ca. 500 km als Tagesetappe vor uns und bei der Hitze muss man auf jeden Fall einige Pausen einlegen. Wir fahren durch subtropische Landschaft, angelegte Agavenhaine und immer wieder am Meer entlang, das uns mit sehr wilden hohen Wellen leider nicht zum Baden einlädt. Aber einen Stopp zum Essen in St. Blas genießen wir in dieser schönen Umgebung und irgendwie scheine ich die Kinder wohl anzuziehen. Ein süßes Mädchen setzt sich gleich neben mich nachdem ich sie fotografiert hatte und Wolfgang meinte ganz ängstlich, jetzt kriegst du sie nicht mehr los, wo ist der Opa hin mit dem sie gekommen ist!? Na ja, sie wurde ja nicht zum Mitnehmen angeboten und es stellt sich dann auch heraus, dass der Papi der Besitzer unseres Lokals war. Also fuhren wir in trauter Zweisamkeit weiter. Irgendwie hatten wir uns aber an diesem Tag mit der Zeit verschätzt bzw. unsere Uhren gingen eine Stunde rückwärts (Haben wir aber erst 2 Tage später gemerkt) und plötzlich wurde es schnell dunkel und wir hatten noch kein Quartier. Das sollte man eigentlich vermeiden.
Aber wir hatten uns am Abend vorher noch darüber ausgetauscht, dass eigentlich alles ziemlich touristisch organisiert läuft und ein bisschen das Abenteuer fehlt. Na geht doch auch anders! In der nächsten Stadt überhaupt kein Tourismus und bis wir uns mit Donde Hotel durchgefragt hatten, war es stockdunkel. Ein ganz einfaches Hotel direkt an der Durchgangsstrasse hatten wir dann, aber unser Motorrad wollten wir schon von der Strasse weg sicher parken. Die Rezeption war gleichzeitig die Bushaltestelle von der jede volle Stunde irgendein Reisebus in alle Richtungen fuhr. Donde Moto? Soll frei übersetzt heißen: Wohin mit dem Motorrad? Es wurde nicht lange gefackelt, die Wartebänke auf die Seite gerückt, Motorrad soll reinfahren und so stand es dann ganz sicher zwischen Wärtebänken und Süßigkeiten – toll. Restaurants gab es auch nicht und so kamen wir endlich in den Genuss an einem der vielen einheimischen Garküchen zu essen. Super lecker!
In unserem Zimmer hatte ich dann noch Gelegenheit 2 kleine Cocaratschaas und 5 noch kleinere Käfer mit meiner Badelatsche zu erschlagen. Zufrieden legten wir uns ins Bett aber der Verkehr tobte abenteuerlichst um uns herum. Doch auch das ließ uns nicht verzagen, hatten wir doch die überhaupt allerbesten Freunde der Welt in USA gefunden. Ohropax ein Sch.. dagegen! Jeder ein lachsfarbenes Pärchen, rein in jedes Ohr und Mexiko kann brummen, singen, lachen, die Bässe krachen lassen. Leider wachte ich dann doch am Morgen mit einem Brummschädel auf und unser Ziel war noch 450 km entfernt. Wir nahmen die mautpflichtige Autostrada, mehr zweispurig wie vierspurig und preislich teurer wie in Frankreich (100 km 10,-- Euro). Bei diesen Verdiensten hier ist sie dadurch ziemlich leer und wir kamen gut voran. Die Fahrt ging diesmal durch die Berge in das Hochland (ca. 2000 m) zur Weltkulturstadt Guanajuato. Ein freundlicher Motorradfahrer am Ortseingang (wir werden oft begeistert gefragt woher und wohin) fuhr uns netterweise zu einem Hotel voraus, in das ich nach 7 Stunden Fahrt erschöpft in die Kissen sank - platt und kurz vorm Platzen meines Kopfes. Dieses lag oberhalb am Berg mit schönen Blick auf die Stadt aber auch an einer Straße, wo die Busse und Lastwagen in den unteren Gängen hochkrauchten. Bitte Stöpsel und lieber Wolfgang geh allein in die Stadt, ich muss ruhen! Mit einem mitleidigen Kuß auf meine Stirn machte er sich dann auf den Weg und kam 2 Stunden später ein wenig aufgelöst wieder: „Gott sei Dank bin ich wieder da. Ich bin total rumgeirrt. Diese Stadt ist der Hammer. Unterirdische Tunnel, steile enge Gassen, eine Einbahnstraße und ein Hügel am anderen. Ich bin ca. 1 Stunde an einem schönen Platz gesessen und habe ein paar Spaghetti gegessen, dann habe ich mich aber so einsam gefühlt, dass ich mich wieder auf den Heimweg machte. Der Verkehr tobte und es sind Menschenmassen auf der Straße. Außerdem fiel das Licht am Motorrad aus (inzwischen geht es wieder) und als ich nach etwa 1 Stunde Herumfahrens einen Polizisten nach dem Weg fragte, war ich wenigstens schon ganz in der Nähe“ erzählte er mir.
Ist das nicht lieb? Mal 2 Stunden ohne mich und schon Sehnsucht? Na, auf diese Stadt die das auslöst, war ich natürlich total gespannt! Diese Situation musste ich natürlich gleich ausnutzen und zu meiner Entspannung bat ich dann um eine Rückenmassage und siehe da, mein Kopfweh wurde kurz danach besser und 2 Stunden später war es ganz weg!
Und Wolfgang hatte Recht! Diese Stadt ist der Hammer! Wir haben so etwas in dieser Art noch nie gesehen! Von oben wie von unten. Bunt bemalte Häuser ziehen sich die Hügel rauf und runter. Ich stelle einfach einige Bilder ins Fotoalbum, man kann es nicht beschreiben. Unter der Stadt unsichtbar ein Tunnelgeflecht aus ehemaligen Stollen der Silberminen, mit kleinen Seitenstollen, ja sogar manche mit Gehwegen zum Durchlaufen, die in die verschiedensten Stadtteile münden. Wenn man einmal im Falschen steckt, gibt es kein Entkommen. Alle naturbelassen und lang. Manche öffnen sich kurzzeitig oben mit Blick in die Stadt. Einmalig, aber auch beängstigend für Erstlinge. Oberhalb eine enge Gasse nach der anderen, die in Plätze münden mit den erhabendsten Bauwerken. Kein Wunder, dass diese Stadt zum Weltkulturerbe erhoben wurde.
Das dominante weiße große Gebäude ist die Universität, sieht eher aus wie eine Burg oder ein Schloss, und die Stadt ist daher voll von jungen Leuten. Es macht einfach Spaß sich an einen netten Tisch zu setzen, etwas Gutes zu trinken und sich das bunte Treiben anzuschauen. Einheimische flanieren durch die Straßen und auf den Plätzen wird musiziert. Auf einem war Tanzabend mit Merenge und Salca und es war ein ganz besonderes Vergnügen, den Tanzkünsten der meist älteren Herrschaften zuzusehen. Vor allem die älteren Herren hatten es uns angetan. Wie da mit den Ärschlein gewackelt wurde, hin und hergedreht und die Damen formvollendet geführt wurden – einfach toll! Wolfgang wollte nach 2 Pina Colada (sein neues Lieblingsgetränk) unbedingt auch auf den Platz, er meinte wir können das auch. Ich meinte, eher nicht!!
Das Geburtshaus von Diego Rivera, voll mit seinen Bildern und Skizzen sowie einem Raum mit Fotografien aus der Verbindung zu Frida Kahlo lag noch auf unserem Weg, bevor wir auch diese Stadt tief beeindruckt wieder verließen.
Und das Thermometer fiel auch wieder. So schnell wie sich bei uns die Temperaturen ändern kommt der Körper gar nicht mit. Schwitzen – frieren – wir können es uns aussuchen. Im Moment ist der Tag sehr schön und am Abend holen wir unseren Vlies wieder raus.
Dieses Mal waren wir schon nach 90 Kilometern wieder am Ziel. San Miguel de Allende. Eine Stadt seit 1926 vollständig unter Denkmalschutz. Auch hier sprechen die Bilder für sich. Palazzos, Kirchen, Klöster, Gassen wie gemalt und wir haben wieder das Glück, dass ein großes Fest in der Stadt ist. Volkstanzgruppen zu ohrenbetäubender Musik (leider wirklich nicht unser Geschmack) lassen uns nachts wieder zu unseren „Freunden“ greifen. Um 3 Uhr hören dann auch die Bässe durch die Mauern auf zu wummern. Wir haben nämlich dieses Mal ein nettes Stadthotel genommen, von dem aus wir sofort im Geschehen sind.
Hier gibt es die bisher schönsten, gemütlichsten und edelsten Restaurants, Bars und Kneipen unserer Reise. Durch die Kunstakademie hier haben sich viele Künstler aus aller Welt eingenistet und somit das Stadtbild mit geprägt. Viele Galerien und hochwertige Läden gehen Hand in Hand mit auch eher einfachem mexikanischem Kunstgewerbe.
Auch ein Deutsches Ehepaar hat hier ein Restaurant, was wir dann gestern Abend ausprobiert haben. Ich hatte Sauerkrautfisch, Fischfilet in Sauerkraut-Rahmkäsesoße, ganz typisch deutsch, oder? aber lecker, und Wolfgang natürlich Schnitzel mit Kartoffelbrei – zwar deutsch aber nicht so doll. Er meinte, er vermisse nichts und das wäre vorerst das letzte Schnitzel gewesen.
Heute Mittag ein kleiner Imbiss von der mexikanischen Speisekarte. Wolfgang bestellte ganz treffsicher ein Milanesehuhn und es kam: ein hauchdünnes Schweineschnitzel mit Pommes Frites. Zwar besser wie das vorherige, aber jetzt reicht es ihm bis nächstes Jahr in Deutschland. So viel zu unseren Spanischkenntnissen.
Hier sehen wir auch zum ersten Mal alte Indio-Frauen in den Straßen sitzen und betteln. Das berührt uns irgendwie! Die Kinder verkaufen hier alles Mögliche, vor allem Kaugummi und da kannst du dir einen Vorrat zulegen und ihn später wieder verschenken. Aber es bricht einem fast das Herz, wenn du alte Frauen stundenlang sitzen siehst mit der aufgehaltenen Hand. Man muss einfach etwas geben!
Die Glocken läuten jetzt ganz doll und wir wagen uns noch mal ans Essen, der Magen knurrt schon wieder! Morgen geht es weiter nach Tula und dann sind wir schon fast in Mexiko City.