beim Frühstück im Hostel in Novosibirsk noch nicht ganz wach
als russisches Mütterchen getarnt - ha ah

Wieder in Russland – der Grenzübertritt dauerte weniger als eine halbe Stunde – wie gut dass wir die Registrierung dieses Mal hatten.

19.7.2012 – 23.7. Barnaul am Ob – Novosibirsk am Ob – Irkutsk an der Angara

Thomas, einer der Uralgespannfahrer  fragte mich, wie lange brauchst du denn so für deine Berichte?  Ich sagte, dass sei unterschiedlich, je nachdem, wie viel  man mitzuteilen hat. Und er meinte dann ganz ernsthaft: Und wie einen die Muse küsst! Herrlich, so habe ich das noch nie ausgedrückt.

Also, im Moment küsst sie mich nicht so häufig, gibt wenig zu erzählen, außer dass wir seit Tagen auf dem Motorrad sitzen und Kilometer um Kilometer fahren. Allein in den letzten 3 Tagen knapp 2000 km durch Sibirien. Die  M 53 variiert hier mit viel Berg und Tal,  Autobahn ähnlichen Straßen, kleinen löchrigen Landstraßen und Schotterpisten. Mal gibt es Hunderte von Kilometern keinerlei Ansiedlungen, dann wiederum fährt man durch kleine sibirische Dörfer. Es hat die letzten Tage stark geregnet, man sieht es noch an den Pfützen und den durchweichten Nebenstraßen. Gott sei Dank alles, bevor wir kamen.

Wolfgang küsst z. Zt. auch nicht, hat sich eine Erkältung mit Fieber eingefangen, als er das Motorrad zum Reifenwechsel und kleinen Inspektion brachte. In der Hitze gebastelt, nassgeschwitzt gefahren und dann der kühle Fahrtwind,  das war wohl der Auslöser. Aber endlich sind die Reifen seitlich weg und wir kommen wieder normal daher.

Die Städte sind wieder typische russische Riesenstädte mit großen Straßenzügen, wahnsinnig viel Verkehr und Unterkünften, über die man schon allein ein Buch schreiben könnte. In Barnaul z. B. hatten wir nicht vorgebucht, war alles voll. Ein 4 Sterne-Hotel war noch zur Auswahl, leider nur noch das Deluxe-Zimmer für 5.200 Rubel ca. 140,-- Euro. Ich bedankte mich freundlich und ging wieder. Plötzlich kam ein Mann(entpuppte sich als der Manager) hinter mir her und sagte im besten Englisch, wenn wir nur eine Nacht bleiben würden, gibt er uns das Zimmer ausnahmsweise für 3.200 Rubel.  Da sagten wir nicht nein, denn das war der Normalpreis für Standard -Zimmer auch bei anderen Hotels. Hier hatten wir dafür eine tolle Suite mit Klimaanlage und leckerem Frühstück. Wir hatten einwandfrei den Motorradfahrer-Bonus ergattert, denn der Manager war von uns sichtlich angetan.

In Novosibirsk waren wir telefonisch angemeldet von Thomas in der Unterkunft, wo sie vor uns  waren.  Erst dachten wir, dass wir falsch sind, die Adresse war nämlich in einem typisch russischen absolut hässlichen Plattenbau. Ich fragte Wolfgang, hast du das gewusst? Er meinte nein, habe mich auf den Tipp verlassen. Diesmal musste Wolfgang gucken gehen und ich passte auf das Motorrad auf. Er kam wieder, meinte alles klar, eine Dreizimmerwohnung im 1. Stock als Hostel umgebaut, netter Besitzer, spricht englisch.  Schönes Zimmer,  Handtücher, Bettwäsche alles  nagelneu von Ikea, wen stört da schon das Gemeinschaftsbad? Eine Küche gab es auch, alles blitzsauber und frisch renoviert.  Das Motorrad steht auch sicher, die Polizei ist im Erdgeschoss.

Außer uns wohnte noch eine dreiköpfige russische Familie drin. Der Papa lief nur in der Hose rum, die Tochter im Nachthemd mit Socken und die Mama lag gemütlich bei offener Tür im Bett und schaute Fernsehen.  

Da lief ich auch ganz ungeniert mit meinem Mininachthemd durch den Flur und Wolfgang passte sich blitzschnell an russische Verhältnisse an, Oberkörper frei zum Motorrad packen.  Es war nämlich wieder brütend heiß. Unsere Tür blieb auch halb offen, wenigstens etwas Durchzug.

So schnell kann es gehen, vom Luxuszimmer hin zum Zimmer mit Familienanschluss.

Nach 700 km strenger Fahrt Richtung  Irkutsk gab es nur eine Übernachtungsmöglichkeit, eine Herberge mit Restaurant und Tankstelle mitten in der Pampa. Entweder Zelt oder Herberge. Wir entschieden uns für Herberge, eben wegen besagter Mücken, die anscheinend in den Wiesen lauern und wir sehnten uns nach einer Dusche.  

 5 Vierbettzimmer gab es zur Auswahl oder ein kleines Zimmer mit Schlafcouch und Schlafsessel. Alles mit je 1 Dusche und 1 Toilette für Männlein und Weiblein auf dem Flur. Preis 150 Rubel oder 1500 oder 1950 ? und immer wieder zeigte die Frau mir den Wecker und die Uhrzeiten. Ich verstand nur Bahnhof und ging verzweifelt zu Wolfgang raus. Ich verstehe gar nichts, bitte komm mit, vielleicht kapierst du es. Und siehe da, des Rätsels Lösung – ein „Stundenhotel“. Eine Stunde kostet 150 Rubel, wenn wir um 8 Uhr morgens gehen (es war gerade 7 Uhr abends) , dann zahlen wir 13 x 150 Rubel und wenn wir ein bisschen länger schlafen wollen, eben mehr. Wir waren sprachlos. Sowas hatten wir noch nie erlebt. Kein Wunder, dass ich es nicht gleich kapiert habe. Na gut, sagten wir, wir nehmen das Viererzimmer. Welche Betten wollen wir beziehen, die zwei am Fenster oder die zwei an der Tür? Beziehen im doppelten Sinn, das Bettzeug kriegt man auch noch.

Wieso muss sie das wissen, schauten wir sie fragend an? Ganz einfach, kommen noch zwei später, müssen die ja schließlich wissen, in welches Bett sie kriechen können. Nein, nein, wir wollen das Zimmer ganz für uns allein!!! Dann müssen wir jedes Bett bezahlen. Je nach Dauer von 3000 Rubel bis 4000 Rubel=immerhin zwischen 75,-- und 100,-- Euro!!  Zustände wie in der Jugendherberge, aber gut bezahlt.  Wir nahmen dann, welche Frage, natürlich das kleine Zimmer mit Schlafcouch, zahlten 13 Stunden, Wolfgang brauchte seinen Schlaf und „berubelten“  1.950.-- (ca.50 Euro).

Kein Wunder, dass die Leute so spät wie möglich kommen und als ich morgens um 8.00 mal aufs Häuschen ging, war keiner mehr da. So kann man mit wenig schlafen auch Geld sparen. Unglaublich!!

Nach weiteren zwei Tagen und 1300 km sind wir endlich in Irkutsk eingerollt.

Landschaftlich war die Strecke ein Genuss. Grüne Wiesen, Nadelwälder, Birkenwälder, lila Blumenwiesen, Kartoffelfelder, Getreidefelder, idyllisch liegende sibirische Dörfer mit wunderschönen Holzhäusern, breite Flüsse wechselten sich ab. An den Straßenrändern verkauften sie  winzige Walderdbeeren und frische Pilze. Wolfgang konnte nicht widerstehen. Hatten wir doch in Irkutsk ein Hostel mit Küchenzeile gebucht. Wunderschöne Rotkappen wurden im Moped verstaut und abends in der Pfanne gebraten. Leider entpuppte sich die Milch, die ich als Soße dazu gab, als gesüßter Naturjoghurt  (merkten wir Gott sei Dank nach einem dicken Schuss) und die Nudeln waren auch nicht al dente. Mein lieber Mann beteuerte aber immer wieder, die Pilze haben sehr gut geschmeckt. Ja, kochen will gelernt sein. Man kommt leicht aus der Übung, wenn man sich die ganze Zeit in der Welt rumtreibt.

Und nach der ganzen Lobhudelei über die lieben Menschen, sei noch zu bemerken, dass es auch einige Matruschkas hier gibt, die mich wegen meiner schon ganz lieb gestellten Frage: Do you speak English? mit Verachtung strafen und mir bei meinem danach folgenden Gestotter überhaupt nicht entgegenkommen. Da bleiben wir dann sowieso nicht. Die habe ich gefressen und danach schimpfe ich bei Wolfgang wie ein Rohrspatz, dann geht’s wieder.  

 

Unsere zweiten Pässe mit dem Visum für die Mongolei sind auch gut in Irkutsk angekommen. Die Frau, bei der wir sie abgeholt haben, hat Wolfgang  russische  Medizin empfohlen, haben wir gleich in der Apotheke geholt  und hoffen, dass es ihm bald besser geht.

25.7.

Wolfgang geht es wieder besser, die Medizin hilft schon. Daraufhin haben wir heute mal die Stadt Irkutsk besichtigt. Zum Abendessen gibt es frische Pfifferlinge mit Ei gebacken und Brot dazu, was kann da noch schiefgehen?

Morgen fahren wir weiter an den Baikalsee – wir sind schon sehr gespannt.

Dazu Diaschau Russland 5

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